„Man kann nicht s’Weckle und s’Zehnerle haben.“ (Alemannische Volksweisheit)
Das war ein Eklat mit Ansage. Die Pressekonferenz von Jereon Dijsselbloem und Giannis Varoufakis in Athen am 30. Januar, in der der griechische Finanzminister den Chef der Euro-Gruppe vorführte, war der Anfang. Der misslungene erste Auftritt des griechischen Finanzministers in der Euro-Gruppe am 11. Februar war die logische Fortsetzung. Seine brüske Absage des Angebots der Euro-Gruppe, das Hilfsprogramm zu verlängern, war beim Krisentreffen am 16. Februar der vorläufige Höhepunkt. Die Antwort ließ dieses Mal nicht lange auf sich warten. Die Euro-Gruppe setzte Griechenland ein Ultimatum bis Ende der Woche. Wenn die Griechen bis dahin nicht zustimmen, ließ Jereon Dijsselbloem knallhart verlauten, läuft das Hilfsprogramm am 28. Februar 2015 aus. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Griechenland das Geld ausgeht.
Auch wenn es die Regierung Tsipras nicht wahrhaben will, sie hat ein gewaltiges Finanzierungsproblem. Griechenland muss noch in diesem Jahr etwas über 20 Mrd. Euro aufbringen. Diese Summe ist notwendig, um Schulden bei der Euro-Gruppe und dem IWF zu tilgen, fällige kurzfristige T-Bills zu begleichen und Zinsen zu zahlen. Das finanzielle Loch wird noch größer, wenn die neue Links-Rechts-Regierung die eingegangenen Wahlversprechen einlöst. Griechenland ist auf die Hilfe der Euro-Gruppe angewiesen. Weder die Chinesen noch die Russen werden ohne Gegenleistung helfen. Die Euro-Gruppe wäre bereit, Griechenland abermals unter die Arme zu greifen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Griechenland die vereinbarten Auflagen erfüllt. Das gilt für das notwendige Sparprogramm und die erforderlichen Strukturreformen.
Noch lehnt Griechenland das Angebot der Euro-Gruppe ab, das Hilfsprogramm über den 28. Februar 2015 hinaus zu verlängern. Mit der Verlängerung würden die letzten Zahlungen aus dem ESM geleistet. Noch wichtiger ist aber, die EZB könnte wieder griechische Staatspapiere aufkaufen. Es sieht gegenwärtig nicht danach aus, als ob sie der EuGH daran hindern wird. Auch die Notkredite an griechische Banken (ELA) könnten quantitativ und zeitlich noch flexibler gehandhabt werden. Griechenland lehnt eine Verlängerung des Programms strikt ab. Es will ganz neu mit den „Rettern“ verhandeln. Die Regel „Geld gegen Reformen“ soll allerdings nicht mehr gelten Da solche Verhandlungen nicht von heute auf morgen zu einem Ergebnis führen, braucht Griechenland noch mehr Zeit. Giannis Varoufakis drängt deshalb auf eine „Brückenfinanzierung“ von bis zu einem halben Jahr.
Die trickreichen Griechen haben sich auch schon einen Weg ausgedacht, wie diese Zwischenfinanzierung bis zum Ende der angestrebten Verhandlungen mit den Kreditgebern aussehen könnte (Blog-Beitrag Smeets). Eine zeitlich begrenzte halbjährige „Brückenfinanzierung“ über Notkredite (ELA) der EZB soll helfen. Die Banken würden mit den ELA-Geldern kurzfristige T-Bills kaufen. Das tun sie bisher schon, allerdings verbotenerweise. Es handelt sich um eine in der EWU nicht zulässige monetäre Staatsfinanzierung. Griechenland könnte so die finanziellen Löcher stopfen, ohne lästige Auflagen der Kreditgeber. Die staatsgläubige Extremisten-Regierung wird aber in dieser Zeit noch weniger marktkonforme Strukturreformen auf den Weg bringen. Nach einem halben Jahr wird die Lage schlechter sein als heute. Das Theater geht weiter. Der Druck, die „Brückenfinanzierung“ fortzusetzen, hält an.
Es scheint allerdings überraschenderweise so, dass die Salamitaktik der Regierung Tsipras nicht aufgehen wird. Die Euro-Gruppe ist trotz aller Wankelmütigkeit in der Vergangenheit (noch) entschlossen, den Frechheiten der Griechen ein Ende zu setzen. Soll die EWU nicht im Chaos versinken, muss sie Griechenland opfern, kommt es nicht zur Besinnung. Das wäre ein Signal an die anderen (und künftige) Programmländer, die finanzielle Hilfe erhalten haben, nicht auch auf dumme Gedanken zu kommen. Die Euro-Gruppe macht so klar, Geld gibt es nur gegen Reformen, die von den Kreditgebern und nicht von der OECD überprüft werden. Bleibt es bei der Haltung der Euro-Gruppe, passt auch das von Journalisten neuerdings viel bemühte „Feigling-Spiel“ nicht. Um im Bild zu bleiben: Die Euro-Gruppe rast mit einem gepanzerten Mercedes auf den kartonierten Trabi der Griechen zu. Sie weicht nicht aus, auch wenn sie danach einige Kratzer im Lack hat.
Noch ist allerdings das letzte Wort nicht gesprochen. Der Ball liegt nun wieder im Feld der Griechen. Es ist mir völlig unklar, wie die Regierung Tsipras aus dieser Nummer herauskommen will. Sie kann kein Interesse daran haben, den Euro aufzugeben und die EU zu verlassen. Mit der EWU hat sie eine Kuh, die in Europa gefüttert und in Griechenland gemolken wird. Es wäre dumm, diesen „paradiesischen“ Zustand aufzugeben. Gibt sie allerdings nach der Emotionalisierung der griechischen Wähler dem Ultimatum der Euro-Gruppe nach und akzeptiert die verhasste Rettungsphilosophie „Geld gegen Reformen“, ist sie bei ihren Wählern unten durch. Die Entlassung des spieltheoretischen Überfliegers Giannis Varoufakis wird auch keine Entlastung für Tsipras bringen. Knickt die Euro-Gruppe nicht ein, gilt für Alexis Tsipras: Ich habe fertig.
Update: Der Brief des griechischen Finanzministers Varoufakis an die EU im Wortlaut.
Blog-Beiträge zum Griechenland-Poker:
Dieter Smeets: Poker um Griechenland
Norbert Berthold: Sie kamen, sahen und verloren. Haben sich Alexis Tsipras und Giannis Varoufakis verzockt?
Thomas Apolte: Hexenmeister und Reformer. Was Varoufakis von Balcerowicz lernen kann.
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„I do not assume Syriza ““ whom I have called The Not Very Serious People ““ have a coherent bargaining strategy at all. I take this point from a broader reading of history, where I see that quite often leaders in critical positions simply do not know what they are doing. By no means is that always the case, but it is more often the case than narrative-imposing journalism encourages us to perceive.“
Tyler Cowen, Is Greece really going to leave the eurozone?, in: Marginal Revolution, February, 17 (2015)