Wolfgang Schäuble sitzt vor einem Scherbenhaufen. Seine Griechenland-Politik ist gescheitert. Die interne Abwertung war politisch nicht durchzuhalten. Die Griechen wollen sich nicht länger von Ausländern bevormunden lassen. Das entspricht dem Subsidiaritätsprinzip.
Schäuble wollte den Griechen seine Bedingungen diktieren. Er hat sich mit dem Geld der deutschen Steuerzahler Verfügungsmacht über Griechenland erkauft. Am deutschen Wesen sollte Griechenland genesen. Er hätte wissen können, dass die Deutschen immer noch im Glashaus sitzen. Er hätte wissen müssen, dass seine Politik Gift für die Völkerverständigung sein würde. Er war bereit, das Bailout-Verbot des Art. 125 AEUV zu verletzen – ein krasser Rechtsbruch. Wo immer es ging, hat er versucht, Angela Merkel und die Troika vorzuschicken, aber inzwischen wird er auch in Griechenland als der Haupturheber erkannt. Er sollte sich zu seiner Verantwortung bekennen und abdanken.
Nicht die interne, sondern die externe Abwertung wäre der richtige Weg gewesen. Den Griechen wäre viel erspart geblieben. Griechenland hätte 2010 aus der Währungsunion ausscheiden müssen. Vielleicht kommt es dazu noch. Es wäre den Griechen zu wünschen.
Schäuble hat erklärt, er sehe nicht, wie die neue griechische Regierung die Probleme ohne seine Hilfe „stemmen kann“. In Wirklichkeit hat sie gute Karten. Das riesige Haushaltsdefizit ist inzwischen einem Primärüberschuss von 1,5 Prozent des BIP gewichen. Das bedeutet: die griechische Regierung kann ihre Staatsausgaben, soweit sie nicht den Schuldendienst betreffen, finanzieren, ohne an den Kapitalmarkt zu gehen oder von anderen Staaten noch mehr subventionierte Kredite zu erhalten. Was den Schuldendienst angeht, kann sie sich – wie schon viele Staaten vor ihr – für zahlungsunfähig erklären (zumindest gegenüber dem Ausland). Damit würde sie ihren ausländischen Gläubigern – auch dem deutschen Steuerzahler – schweren Schaden zufügen. Die Schuld kann sie ihren Vorgängern zuschieben. „Ich bin der Finanzminister eines bankrotten Staates“, sagt Giannis Varoufakis. Das stimmt. Für den Bankrott kann er nichts.
Seine Achillesferse sind die griechischen Banken. Wenn die EZB den Geldhahn zudreht, ist eine Eskalation unvermeidlich. Sie hat entschieden, im Rahmen ihrer regulären Refinanzierungsgeschäfte keine griechischen Staatsanleihen und keine vom griechischen Staat garantierten Bankschuldverschreibungen mehr als Sicherheiten zu akzeptieren. Aber sie hat die Höchstgrenze für die Notfallkredithilfe großzügig auf etwa 68 Mrd. Euro erhöht. Diese Kredite sind etwas teurer, und das Risiko liegt zunächst bei der griechischen Zentralbank. Aber damit können die Griechen gut leben. Die EZB hat kein Interesse daran, dass sich Griechenland für zahlungsunfähig erklärt und vielleicht sogar die Eurozone verlässt, denn dann würde sie Verluste bei den griechischen Staatsanleihen erleiden, die sie – ebenfalls rechtswidrig – in der Vergangenheit gekauft hat, und ihr geldpolitischer Herrschaftsbereich würde schrumpfen.
Die Notfallkredite der EZB sind eigentlich nicht dafür gedacht, insolvente Banken am Leben zu erhalten. Deshalb fordert Jens Weidmann, damit bald Schluss zu machen. Wenn die EZB diesem Rat folgen würde, könnte die griechische Zentralbank entweder sich ihre Euros in eigener Regie drucken, was ein klarer Regelverstoß wäre und vermutlich zum Ausschluss aus der Währungsunion führen würde, oder sie könnte eine neue Währung einführen, die als gesetzliches Zahlungsmittel neben dem Euro umlaufen würde. Der Euro würde Parallelwährung, und die neue Drachme könnte abgewertet werden. In beiden Fällen könnte die griechische Regierung die EZB dafür verantwortlich machen, dass Griechenland aus der Währungsunion ausscheidet. Giannis Varoufakis – er ist Professor für Spieltheorie – hat sich das gut überlegt. Wegen der ungeklärten Rechtsprobleme könnte der griechische Austrittsbeschluss zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen.
Mit dem Austritt wären die Liquiditätsprobleme der griechischen Banken gelöst, aber nicht etwaige Solvenzprobleme. In ihrem Comprehensive Asset Quality Review kam die EZB 2014 zu dem Schluss, dass die griechischen Banken hinreichend rekapitalisiert sind. Aber das könnte sich geändert haben oder in den nächsten Monaten noch ändern. Der ESM hat Griechenland 11 Mrd. Euro für die weitere Rekapitalisierung der griechischen Banken überwiesen. Wenn diese Mittel und der Primärüberschuss im Staatshaushalt nicht ausreichen, müssen früher oder später auch die Eigentümer und die Gläubiger der griechischen Banken bluten. Das heißt jedoch nicht, dass die Banken geschlossen werden müssen.
Wenn die Abwicklungsverordnung für die Banken des Euroraums in Kraft tritt und die Abwicklungsbehörde oder die EZB entscheidet, die griechischen Banken zu schließen, ohne dass Kommission und Rat ein Veto einlegen, wird Griechenland beschließen, die Währungsunion zu verlassen.
In den Verhandlungen der letzten Wochen versuchte jeder, dem Anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die griechische Regierung wollte ihren Wählern den Eindruck vermitteln, dass sie alles getan hat, um eine gütliche Einigung zu erreichen. Die Verantwortung dafür, dass Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit erklärt und aus dem Euro ausscheidet, soll bei „den Anderen“ liegen – wenn es denn die EZB dazu kommen lässt.
Die griechische Wirtschaft trägt weniger als 2 Prozent zum Bruttosozialprodukt der Europäischen Union bei. Sie ist viel zu klein, um die Stabilität des Weltfinanzmarktes zu gefährden. Das war schon immer so – auch im Mai 2010, als Wolfgang Schäuble seine unheilvollen Entscheidungen traf.
Blog-Beiträge zum Griechenland-Poker:
Norbert Berthold: Trojanisches Pferd. Der Brief des Giannis Varoufakis
Uwe Vollmer: Scheidung auf griechisch. Wie realistisch ist der “Grexit“?
Norbert Berthold: Was erlauben Griechenland? Schwach wie Flasche leer
Dieter Smeets: Poker um Griechenland
Norbert Berthold: Sie kamen, sahen und verloren. Haben sich Alexis Tsipras und Giannis Varoufakis verzockt?
Thomas Apolte: Hexenmeister und Reformer. Was Varoufakis von Balcerowicz lernen kann.
Ich denke man kann Herrn Schäuble eigentlich keinen wirklichen Vorwurf machen. Er ist Gefangener seiner eigenen Gedankengänge. Immer wenn ein System „Grenzen“ hat, wie es sicherlich auch in seiner Denkweise zutreffen wird, gibt es unlösbare Probleme ( die netten Interdepenzen ). In einem Finanzsystem, dass unendlich Kredite gewähren kann, kann man diese Interdepenzen jedoch auf verschiedene Zeitpunkte verteilen, sodass eine optimale Lösung je nach politischer Farbgebung immer gut begründbar ist. Er ist letztlich in einer Situation, in der jedwede Regung zum Aderlass führt. Macht er das ( normalerweise ) logisch richtige und streicht alles zusammen führt das zum mentalen Kollaps in Griechenland, denn die Schulden sind seit jeher in der DNA der griechischen Regierungsführungen verpflanzt. Macht er so weiter wie bisher ( und danach sieht es ja aus ), häuft er soviel bad debt an, dass es im Endeffekt alle treffen wird – auch eine Situation in der er nicht gewinnen kann. Was ist nun die Essenz daraus ? In einem Geldsystem, dass auf Schuld basiert, gibt es nur bei gesunder Wirtschaftsführung eine win-win Situation. In allen anderen Fällen verlieren alle ( über kurz oder lang ). Aber was ist nun gesunde Wirtschaftsführung ? Eigentlich genau das, worüber die griechische Regierung und der IMF selber REDET – machen tun Sie es freilich nicht … . Im dem wunderbaren Land das sich USA nennt redet man gern darüber, dass Griechenland Teil des globalen „Grids“ ist, so wie es einst Argentinien auch war. Sollte Griechenland den gleichen Weg beschreiten, ist für mindestens 1 Jahrzehnt das Licht in diesem Teil der Welt ausgegangen – eine wirklich kaum zu ertragende Realität für ein Land in Europa.