Wenn ein drittes Griechenland-Rettungspaket über ca. 85 Mrd. Euro in den nächsten Wochen abgeschlossen wird, dann steigt die Schuldenstandsquote des Landes über die nächsten drei Jahre auf mindestens 220 Prozent an. Spätestens dann muss aber auch dem Letzten deutlich werden, dass diese Belastung auf Dauer nicht tragfähig sein wird. Daher fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) in der aktuellen Situation einen (weiteren) Schuldenschnitt für Griechenland. Dagegen sträuben sich aber bisher insbesondere die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble beharrlich – zumindest wenn dieser Schuldenschnitt innerhalb der Währungsunion durchgeführt werden soll. Als Begründung führen sie Artikel 125, Absatz 1, AEUV – der die No-Bail-Out-Klausel enthält – an. Eine in diesem Zusammenhang ergangene Entscheidung des EuGH (sogenanntes Pringle-Urteil) besagt, dass es der EU und den einzelnen Mitgliedsländern nur dann erlaubt ist, einen anderen Staat finanziell zu unterstützen, wenn hieran strenge Auflagen geknüpft sind, die für die (künftig) nötige fiskalische Disziplinierung sorgen. Erwartet man im Umkehrschluss allerdings nicht, dass (im kommenden dritten Programm) vereinbarte Auflagen nach einem Schuldenschnitt – aufgrund des verminderten Drucks – eingehalten werden, dann würde dieses Urteil einem Forderungsverzicht streng genommen entgegenstehen. Schäuble bezieht diese Einschätzung darüber hinaus nicht nur auf einen nominalen (echten) Schuldenschnitt, sondern auch auf Umschuldungen oder Zinserleichterungen, die den Barwert der griechischen Staatsschuld deutlich reduzieren.
Obgleich ein solcher Forderungsverzicht gegenwärtig nicht das drängendste Problem des Landes darstellt, beherrscht dieses Thema bereits seit einiger Zeit die Diskussion um die Tragfähigkeit der griechischen Schulden. Geht man davon aus, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) nicht an einem Schuldenschnitt beteiligen würde, weil sie hierin – auf einmal – eine unzulässige Staatsfinanzierung sieht und ferner auch der IWF selbst einer solchen Reduktion seiner Forderungen nicht zustimmen würde, weil seine Kredite als „unantastbar“ gelten, dann bleiben in erster Linie die bisherigen öffentlichen Gläubiger in Form der einzelnen Mitgliedstaaten der Eurozone sowie der EFSF, die grundsätzlich einen Forderungsverzicht vornehmen könnten. Die Tilgungszahlungen für das erste (bilaterale Kredite umfassende) Griechenland-Rettungspaket sind aber bereits bis 2020 ausgesetzt. Darüber hinaus wird ein Zinssatz in Höhe eines Aufschlags von 0,5 Prozentpunkten auf den 3-Monats EURIBOR erhoben, was gegenwärtig einem absoluten Zinssatz von etwa 0,5 Prozent entspricht. Somit besteht an dieser Stelle wenig Spielraum nach unten. Beim zweiten Griechenland-Rettungspaket sind die bereitgestellten Kredite sogar bis 2022 zins- und tilgungsfrei. Kurzfristig geht es also in erster Linie darum, die Zins- und Tilgungszahlungen für Kredite vom IWF bzw. für Staatsanleihen im Besitz der EZB und von privaten Wirtschaftssubjekten zu finanzieren. Da (bisher) weder ein Primärüberschuss erwirtschaftet wurde noch eine Finanzierung am privaten Kapitalmarkt möglich ist, bleiben also nur weitere öffentliche Kredite – nun aus dem ESM – um den anstehenden Schuldendienst in den kommenden drei Jahren zu leisten. Selbst nach diesen drei Jahren, würde ein Schuldenschnitt bzw. eine Umschuldung durch die Eurozone und deren Mitglieder aber kaum eine unmittelbare Wirkung auf die Schuldentragfähigkeit haben. Erst nach 2020 bzw. 2022 kämen entsprechende Erleichterungen zum Tragen. Nach den drei Jahren sind allerdings die Alt-Forderungen der EZB und des IWF weitgehend vom ESM übernommen worden.
Ein gravierender Unterschied zwischen einem nominalen Schuldenschnitt und einer Umschuldung besteht allerdings darin, dass ein expliziter Forderungsverzicht (Schuldenschnitt) zu einer Reduktion der nominalen Schuld und damit auch der Schuldenstandsquote führt. Möglicherweise würde dies die Rückkehr an den privaten Kapitalmarkt erleichtern, weil das Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit größer wäre als bei einer Umschuldung. Ohne Zugang zum privaten Kapitalmarkt wird Griechenland jedoch dauerhaft auf Transfers in Form von Hilfskrediten angewiesen sein. Gleichzeitig bringt aber ein nominaler Schuldenschnitt deutliche Verluste für die europäischen und deutschen Steuerzahler mit sich, da (bei Fälligkeit) entsprechende Abschreibungen vorgenommen und in die Staatshaushalte eingestellt werden müssten.
Die in den zurückliegenden Jahren erfolgten Schuldenerleichterungen für Griechenland – Zinssenkungen, zins- und tilgungsfreie Zeiten sowie eine Laufzeitverlängerung um 15 auf insgesamt 30 Jahre – stellten aber nichts anderes dar als die nun von Schäuble abgelehnte Umschuldung mit einer deutlichen Reduktion des Barwertes der Schuld. Dies hat die Bundesregierung trotzdem nicht davon abgehalten, diesen Maßnahmen in der Vergangenheit zuzustimmen. Warum sollte nun also eine andere Situation vorliegen? Deutlich lockerer wird die Möglichkeit eines Schuldenschnitts daher auch von den Regierungen Frankreichs und Italiens beurteilt.
Darüber hinaus sind im Rahmen der Staatschuldenkrise und insbesondere im Zusammenhang mit der Griechenlandrettung von allen Beteiligten immer wieder das bestehende Recht sowie Absprachen gebeugt oder gar gebrochen worden – stets wurde nach dem Motto gehandelt: Wo ein Wille ist, da ist auch ein (politischer) Weg! Das hat bereits 2010 mit dem ersten Griechenland-Rettungspaket begonnen, bei dem man die No-Bail-Out-Klausel äußerst großzügig interpretierte. Daran ändern auch die nachfolgenden Urteile des EuGH wenig. In der aktuellen Situation setzt zum Beispiel eine Kreditvergabe durch den ESM gemäß Artikel 13 des ESM-Vertrags voraus, dass die Eurozone insgesamt in ihrer Stabilität bedroht ist und die Schuld des Kreditnehmers tragfähig ist. Doch genau diese Systemrelevanz Griechenlands wurde im Vorfeld der Verhandlungen mit der Regierung Tsipras von „offizieller Seite“ stets verneint. Nun kommen die EU-Kommission und die EZB jedoch genau zur gegenteiligen Einschätzung. Auch an der Schuldentragfähigkeit gibt es mehr als berechtigte Zweifel. Man denke ferner an die Bereitstellung und stetige Aufstockung der ELA-Kredite durch die EZB, die letztlich von den griechischen Geschäftsbanken unter anderem dazu genutzt wurden, kurzlaufende Staatsschuldtitel (T-Bills) zu kaufen und damit den Staat (unmittelbar) zu finanzieren. Während man jedoch bei der ELA-Kreditvergabe noch auf die Unabhängigkeit der EZB verweisen könnte, stellt die kürzlich beschlossene Brückenfinanzierung aus dem von allen 28 EU-Mitgliedsländern finanzierten EFSM ein weiteres Beispiel dafür dar, wie wenig ernsthaft Gesetze und Absprachen im Zusammenhang mit der Rettungspolitik eingehalten werden. Der EFSM war in der Vergangenheit nur für Hilfen an Irland und Portugal genutzt worden. Danach wurde Großbritannien zugesichert, diesen Rettungstopf nicht länger für die Stützung von Euro-Krisenländern einzusetzen – bis eine Übergangsfinanzierung für Griechenland gefunden werden musste. Die Zustimmung der Nicht-Euro-Länder wurde dadurch „erkauft“, dass man Zinsgewinne der EZB auf griechische Staatsanleihen als Sicherheit für diese Ländergruppe auf einem Treuhandkonto bereitgestellt hat.
Vor dem Hintergrund dieser exemplarischen Beispiele erscheint der Verweis der Bundesregierung auf Artikel 125 AEUV zur Vermeidung eines Schuldenschnitts für Griechenland daher wenig überzeugend. Im Kern geht es vielmehr darum, dass man von (deutscher) politischer Seite weiterhin der Öffentlichkeit vorgaukeln will, dass man Griechenland lediglich Kredite bzw. Garantien bereitstellt, die alle in vollem Umfang zurückgezahlt werden – sogar mit Zinsen. Was für ein grandioses Geschäft – und das, obwohl die Zinsen weit unter den Marktzinsen liegen und Griechenland (bisher) überhaupt keine Primärüberschüsse erwirtschaftet! Dieses Kartenhaus würde natürlich in sich zusammenfallen, wenn man einen nominalen (echten) Schuldenschnitt vornehmen würde. Spätestens dann würde der Öffentlichkeit deutlich, dass die Rettungspolitik in Griechenland (auch) den deutschen Steuerzahler real belastet und keineswegs kostenlos ist. Eine Umschuldung ist da schon einfacher zu vermitteln, da es sich nicht um eine Reduktion des Nominal- sondern „nur“ des Realwerts handelt, die nicht unmittelbar ins Auge fällt. Daher wird es in absehbarer Zeit – trotz der von deutscher Seite geäußerten Bedenken – zu einer Umschuldung Griechenlands im Euro kommen, in deren Rahmen sowohl die Laufzeiten der Kredite als auch zins- sowie tilgungsfreie Phasen (noch einmal) großzügig verlängert werden. Die Höhe von Zinsen und Tilgung wird dabei möglicherweise an das künftige Wachstum geknüpft. Insgesamt wird dies zu einer erheblichen Reduktion des Barwerts der Schuld führen und damit in der Wirkung einem Schuldenschnitt gleichkommen.
Um dem mit einem Schuldenschnitt oder einer Umschuldung einhergehenden Moral-Hazard-Problem in Griechenland entgegenzutreten, sollte man der dortigen Regierung glaubhaft vermitteln, dass über das dritte Rettungspaket hinaus keine weiteren Hilfszahlungen erfolgen werden. Dies erfordert zwangsweise Maßnahmen, die einen entsprechend hohen Primärüberschuss oder einen Zugang zum privaten Kapitalmarkt (zu „angemessenen“ Zinsen) ermöglichen. Anderenfalls müsste Griechenland aus der Eurozone austreten. Dies könnte Gegenstand einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Griechenland und seinen öffentlichen Gläubigern sein.
Blog-Beiträge zum Griechenland-Poker:
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Danke Herr Smeets für diesen aufhellenden Beitrag.
Beschreibt er doch – auch für einen Laien verstehbar – aus welchen Töpfen und zu welchen Bedingungen bisher an Griechenland Geld geflossen ist, und welche einfallsreichen finanztechnischen Tricksereien die Vertuschung des Verlustes ungeheurer Summen ermöglichen. Im Falle Deutschlands dürften das jetzt wohl bald an die 100 Milliarden Euro sein.
Jedoch, und ich wiederhole mich, was ich bereits zu Beiträgen von N. Berthold geschrieben habe, jegliche noch so sachlich fundierte und ökonomisch berechtigte Kritik gegen den Eurorettungswahnsinn wirkt hinfällig, machtlos, vergebens. Der Euro ist kein ökonomisches, sondern ein politisches Projekt. Der Euro soll „unumkehrbar“ sein.
!!! Das alleine ist die einzige Richtschnur des Handelns der europäischen Nomenklatura; einschließlich der EZB-Gouverneure und der Richter des EuGH !!!
Die deutsche und die europäische Politik ist fest entschlossen und gewillt, nicht nur den Euro zu bewahren, sondern auch alle im Euro zu halten, auch Pleitestaaten und ihre bankrotten Banken. Sie wird dafür alles opfern, alles. Ein Bankrott Griechenlands und sein Ausscheiden aus der Eurozone käme einem Scheitern der Währungsunion gleich, was die europäische Nomenklatura um jeden Preis vermeiden möchte. Solange die Altparteien mit Merkel an der Spitze diese positive Zustimmung der deutschen Mainstreammedien und damit auch der deutschen Bevölkerung genießen, wird sich in der Eurorettung nichts ändern.
Die EZB hat spätestens 2012 die Hauptrolle bei der Eurorettung übernommen. Sie betreibt eine indirekte Staatsfinanzierung und Entschuldungspolitik der Staaten und Pleite-Banken durch eine Geldschöpfung ex nihilo sowie durch ihre Niedrigzinspolitik. Sie wird diese Geldpolitik auf sehr viele Jahre nicht ändern können. Sie hat sich zum Gefangenen der europäischen Politik machen lassen. Denn die Politik der Krisenstaaten hat sich längst aus der Verantwortung geschlichen. In Frankreich und in Italien werden ganz offensichtlich wirklich durchgreifende Strukturreformen nicht durchgeführt. Das zwingt die EZB, einen wahren Liquiditätszauber zu entfachen, der Staaten und Banken weiterhin Kontoüberziehungen ohne limit ermöglicht. Jedenfalls wird sie verhindern, dass gigantische Schuldensummen direkt auf deutsche Staatsschuldenkonten landen und damit sofort und unmittelbar „finanzwirksam“ spürbar werden. Das gilt natürlich auch für die anderen Länder, die mit Krediten und Bürgschaften “mit drinhängen“.
Warum?
Der deutsche Michel revoltiert erst dann, wenn Schulden anderer Staaten für ihn direkt spürbar werden, z.B in Form eines “Eurosoli“ fuer überschuldetete Staaten. Solange die Politik und die EZB durch Geldschöpfungsaktionen und Billigstzinen das gigantische Ausmaß der Krise verschleiern und verstecken können, wird es immer wieder zu Kollapsverzögerungen kommen.
Die geldpolitischen Manöver und Kabinettstücke haben Sie, Herr Smeets, kurz dargestellt: Laufzeitverlängerungen, Verlängerung der zins- und tilgungsfreien Phasen, Billigstzinsen.
Ich bin als Geldlaie nicht kompetent genug, um weitere Möglichkeiten der EZB aufzulisten. Aber wir können davon ausgehen, dass die EZB zusammen mit der europäischen Politik auch weiterhin eine äußerst trickreiche und hochinnovative Produktivität gebären wird.
Live aus der Düsseldorfer Universitätsbibliothek
Bakwahn
Hamburg Bangkok Düsseldorf
Dieser unendliche Geldzauber wird für Deutschland schwere Nachteile bringen, nicht plötzlich, sondern schleichend, über Jahre verteilt.
Aber welche genau?
Die Experten dieses Blogs könnten doch mal ein paar Aufsätze zu den Nachteilen dieser Art der „Eurorettung“ schreiben.
Ich versuche – als Laie – einen kleinen Synapsentango, ein Brainstorming.
Die gesamte Eurozone, Deutschland dabei an erster Stelle, wird diese liederliche Geldpolitik mit einem schleichenden, langanhaltenden wirtschaftlichen Siechtum und Niedergang bezahlen; laienhaft formuliert, nur ein paar Stichworte, die mir spontan einfallen:
Geldvermögen und Erspartes werden entwertet, kapitalgedeckte Altersversorgungen lohnen nicht mehr etc. Das hat fatale Folgen für Millionen! Darüberhinaus: Die deutsche Wirtschaft wird an Effizienz, Produktivität, Innovationsfähigkeit und internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüssen. Auch Deutschland wird ärmer, langsam, schleichend.
Außerdem kommt es – bedingt durch die Niedrigzinspolitik – zu dem, was „Fehlallokationen“ genannt wird; etwa am Immobilien- und am Aktienmarkt.
Hier meine stichwortartige Auflistung:
* Sparer und Geldbesitzer gehören schon jetzt zu den großen Verlierern
* allmählicher Anstieg der Inflationsrate
* private Altersvorsorge (Riesterrente) ist obsolet, lohnt nicht mehr
* auch Betriebsrenten werden unsicher und gar nicht mehr machbar für Unternehmen
* die Weich- und Ramschwährung Euro wird Importe drastisch verteuern (Energie, Rohstoffe, Vorprodukte etc.)
* Exporte werden viel zu billig ans Ausland verkauft
* Exportfirmen werden ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit langsam verlieren
* Vermögenswerte wie Firmen, Immobilien, Aktien etc. können von Inhabern stärkerer Währungen billig gekauft werden
* Blasen und Fehlallokationen (wie oben angedeutet)
daraus folgt:
langanhaltendes wirtschaftliches Siechtum
hohe Arbeitslosigkeit
Abschmelzen unseres Wohlstandes
deutlich niedrige Einkommen etc. usw. usf.
Das ist alles sehr traurig.
Live aus der Düsseldorfer Universitätsbibliothek
Bakwahn
Hamburg Bangkok Düsseldorf
@bakwahn:
„Sparer und Geldbesitzer gehören schon jetzt zu den großen Verlierern“.
Früher waren die Zinsen höher, aber auch die Inflationsrate.
Deutschland hat zur zeit eine Inflationsrate von ca. 0,7%.
Da hält sich der Verlust bei Spareinlagen in Grenzen.
„* allmählicher Anstieg der Inflationsrate“
Trotz der aktuellen Politik sinkt die deutsche Inflationsrate kontinuierlich. Daran hat die aktuelle Geldpolitik nichts geändert.
Entscheidend für die Inflationsrate sind die Lohnstückkosten.
Die sinken in Deutschland seit Jahren, übrigens auch z.B. in Schweden. Eng daran gekoppelt sinkt auch die Inflationsrate.
„* private Altersvorsorge (Riesterrente) ist obsolet, lohnt nicht mehr“
Die Riesterrente war auch so ein Schuss in den Ofen, es profitieren Personen mit höherem Einkommen, für ‚ärmere‘ bringt sie nichts.
„* die Weich- und Ramschwährung Euro wird Importe drastisch verteuern (Energie, Rohstoffe, Vorprodukte etc.)“
Das ist doch die offizielle deutsche Politik: Exportüberschüsse.
Und dabei hilft ein billiger Euro.
Entscheidend sind aber die zu niedrigen Lohnstückkosten. Dadurch sind wir billiger als andere.
„* Exporte werden viel zu billig ans Ausland verkauft“
Den deutschen Politikern kann’s nicht billig genug sein, Hauptsache die anderen verschulden sich:
Unsere Exportüberschüsse sind die Defizite d.h. Schulden anderer Länder.
„* Vermögenswerte wie Firmen, Immobilien, Aktien etc. können von Inhabern stärkerer Währungen billig gekauft werden“
Das ist trotzdem mit dem üblichen Risiko auf den entsprechenden Märkten verbunden.
Immobilien können, auch wenn billig gekauft, drastisch an Wert verlieren.
Aktien bzw. Wertpapiere generell sind, wenn in anderer Währung gekauft, dem Wechselkursrisiko unterworfen.
Zoing,
Ihre Einzelkritik in allen Ehren; aber was soll das?
Meine Antwort auf einen ihrer Punkte:
„“* private Altersvorsorge (Riesterrente) ist obsolet, lohnt nicht mehr“
Die Riesterrente war auch so ein Schuss in den Ofen, es profitieren Personen mit höherem Einkommen, für “˜ärmere’ bringt sie nichts.“
Ich habe als junger Student 1974 die erste Lebensversicherung aufgesetzt; mit 56 DM pro Monat; damals ein Haufen Geld. So manch ein Altbier in der Düsseldorfer Uni-Kneipe blieb ungetrunken. Nach dem 2. Staatsexamen für das Lehramt am Gymnasium wurde ich Anfang der 1980er Jahre arbeitslos (erste Lehrerschwemme). Später ging es über eine einjährige Umschulung (in die EDV, die Computerei) ins Arbeitsleben. Die Lebensversicherung habe ich immer weitergezahlt, trotz der ganz erheblichen finanziellen Engpässe über viele Jahre! Die ersten Jobs waren damals sehr schlecht bezahlt. Von einem Netto-Studienratgehalt auf A 13 war ich meilenweit entfernt.
Später ging ein Großteil meiner Gehaltserhöhungen in weitere Anlagen zur Altersversorgung. Trotz meines sehr guten Einkommens dann später (PC-Support / Netzwerkadministration) bis zu meinem Schlaganfall vor 2 Jahren habe ich nur Kleinwagen gefahren (Opel Corsa, VW Polo) und nicht – wie andere – Mercedes oder BMW. Generell: Ich habe Konsumverzicht geleistet.
Fazit: Auch Geringverdiener und Arme können sich eine Riesterrente leisten! Man muß es nur wollen!
Ihre Kritik an den von mir aufgezählten Punkten ist schwach. Ich spare mir die Widerlegung im einzelnen.
Bakwahn
Nachträge, Beiwerke aus dem Euro-Backwerk:
Gestern erschien auf Zeit-online ein Artikel von Mark Schieritz „Friedman hatte recht“.
!!! Ausgerechnet Schieritz der zusammen mit seinem Zeit-Kollegen Wermuth den Euro stets bis aufs Blut, bis zur letzten Patrone, bis zur Selbstverleugnung verteitigt hat!!!
Diese beiden kriechen jetzt zu Kreuze wie getretene Würmer.
Der Euro sollte den Staaten Stabilität und Wohlstand bringen. In Wirklichkeit ist er eine „Wohlstandsvernichtungsmaschine“.
Der schwache Euro ist Gift für die deutsche Wirtschaft. Sie wird allmählich ihre Innovationskraft, Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit verlieren; langsam, schleichend, unmerklich aber unaufhaltsam. Meine Tochter – jetzt 28 – und die anderen Kinder unserer Familie werden im Schnitt nicht mehr die Einkommen erreichen, die ihre Großeltern und Eltern noch erzielt haben.
Sind Sie auch für einen „Euro-Soli“?
Für eine gemeinsame Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung?
Nur zu, Zoing!
Hier der Link zum Schieritzaufsatz.
http://www.zeit.de/2015/31/waehrungsunion-euro-europa-krise
PS:
In eigener Sache. Schlaganfallbedingt schreibe ich alle meine Texte mit den Fingern der ungeübten linken Hand. Der rechte Arm und die geübte rechte Hand sind gelähmt. Nichts ist unmöglich.
Live aus der Düsseldorfer Universitätsbibliothek
Bakwahn
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