Ende dieses Monats läuft das aktuelle – bereits zweimal verlängerte – Hilfsprogramm für Griechenland aus und es wird täglich aufs Neue darüber spekuliert, ob es nun zur staatlichen Insolvenz Griechenlands und zum Austritt aus der Währungsunion, dem Grexit, kommt. Mathias Erlei[1] hat jüngst in diesem Blog gezeigt, dass man mit Hilfe der Spieltheorie das Verhalten der am Schuldenstreit Beteiligten sowie die daraus resultierenden (politischen) Ergebnisse analysieren kann. Während Erlei jedoch den Fokus eher auf die Vergangenheitsanalyse gelegt hat, soll im Folgenden stärker auf die aktuelle Situation abgestellt werden.
Die Basis des hier gewählten Ansatzes bildet eine sequentielle Spielstruktur mit Griechenland auf der einen und den Vertretern der Europäischen Währungsunion (EWU) auf der anderen Seite. Es wird ferner davon ausgegangen, dass beide Seiten vollständig über die Spielstruktur im Hinblick auf die jeweiligen Handlungsalternativen (Aktionsraum) sowie die Auszahlungspräferenzen informiert sind. Die Handlungsalternativen der beiden Spieler sehen dabei wie folgt aus:
Griechenland kann sich entweder
a)Â Â Â Â kooperativ oder
b)Â Â Â nicht kooperativ verhalten.
Kooperativ bedeutet, dass man die an Kredite der EWU geknüpften Auflagen akzeptiert und umsetzt. Nicht kooperativ bedeutet hingegen, dass man die Auflagen der EWU nicht akzeptiert und stattdessen möglicherweise versucht, eigene Vorstellungen durchzusetzen.
Die Vertreter der EWU (im Folgenden kurz: EWU) können sich hingegen zwischen
a)Â Â Â Â einer Auszahlung von Hilfskrediten oder
b)Â Â Â der Verweigerung der Auszahlung
entscheiden.
Im Rahmen der sequentiellen Abfolge der Entscheidungen wird Griechenland als Akteur auf der 1. Spielstufe angesehen. Dieses Vorgehen erscheint vor dem Hintergrund der aktuellen Verhandlungen sinnvoll, da es Griechenland ist, das Reformvorschläge vorzulegen hat, um (weitere) Hilfen von den Geldgebern zu erhalten.
Entscheidend für die spieltheoretische Analyse des Problems ist weiterhin die Auszahlungsstruktur für die möglichen Strategiekombinationen. Hierbei sollen in Anlehnung an Hirshleifer[2] zur Vereinfachung die Auszahlungen durch einen ordinalen Nutzenwert wiedergegeben werden, der sich an den (offenbarten) Präferenzen der beiden Spieler orientiert. Dabei bedeutet die Zahl 4 die höchste Präferenz (beste Wahl), während die Zahl 1 die niedrigste Präferenz (schlechteste Wahl) ausdrückt. Die Präferenzen basieren wiederum auf Kosten- und Nutzeneinschätzungen, die im Folgenden den beiden Spielern zugeordnet werden sollen.
Für die aktuelle griechische Regierung unter Ministerpräsident Tsipras wird folgende Präferenzstruktur angenommen:
a)Â Â Â Â Griechenland kooperiert nicht und bekommt gleichwohl Hilfskredite (4)
b)Â Â Â Griechenland kooperiert nicht und es werden auch keine Hilfskredite von Seiten der EWU gewährt (3)
c)Â Â Â Â Griechenland kooperiert und es werden Hilfszahlungen gewährt (2)
d)Â Â Â Griechenland kooperiert und es werden keine Hilfszahlungen gewährt (1)
Diese Präferenzstruktur geht davon aus, dass die aktuelle griechische Regierung in keiner Weise an einer Kooperation mit den Geldgebern interessiert ist und die Auszahlung der Hilfskredite nur als sekundäres Ziel verfolgt wird. Man nimmt also die staatliche Insolvenz und den möglichen Grexit billigend in Kauf – versucht diesen „worst case“ aber nach Möglichkeit den „unkooperativen“ Geldgebern in die Schuhe zu schieben. In diese Richtung deutet auch das jüngste Urteil des obersten griechischen Verwaltungsgerichts, das die 2012 von der damaligen Regierung veranlasste Rentenkürzung nun als rechtswidrig bewertete. Nur zu gerne wird die Regierung Tsipras dieses Urteil umsetzen. Auch die Rückkehr des IWF-Teams von den aktuellen Verhandlungen in Brüssel nach Washington ist nach Aussagen des IWF auf die mangelnde Kompromissbereitschaft der griechischen Regierung zurückzuführen.
Im Gegensatz dazu hat die EWU in diesem ersten Spiel eine eindeutige Präferenz für den Erhalt der Währungsunion in der gegenwärtigen Zusammensetzung, was sich in der folgenden Präferenzordnung ausdrückt:
a)Â Â Â Â Die EWU zahlt Hilfskredite aus, wenn Griechenland kooperiert (4)
b)Â Â Â Die EWU zahlt Hilfskredite auch dann aus, wenn Griechenland nicht kooperiert (3)
c)Â Â Â Â Hilfskredite werden nicht ausgezahlt, wenn Griechenland nicht kooperiert (2)
d)Â Â Â Hilfskredite werden nicht ausgezahlt, wenn Griechenland kooperiert (1)
Für eine solche Präferenzstruktur sprechen etwa die Aussagen und Handlungen der entsprechenden Repräsentanten der EWU. Dabei haben sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Kommissions-Präsident Jean Claude Juncker immer wieder betont, dass Griechenland im Euro gehalten werden soll bzw. dass es einen Austritt Griechenlands aus der EWU nicht geben werde. Selbst Mario Draghi, der Präsident der „unabhängigen“ EZB, bekundete jüngst, dass „der EZB-Rat will, dass Griechenland im Euro bleibt.“ In diese Richtung weist auch die Tatsache, dass die aktuellen Verhandlungen von der „Expertenebene“ der Finanzminister auf die politische Ebene der Staats- und Regierungschefs gehoben und damit zur „Chefsache“ gemacht worden sind. Hierzu zählt aber auch, dass ein drittes Hilfspaket und ein erneuter Schuldenschnitt oder eine großzügige Laufzeitverlängerung der Kredite – mit derselben Wirkung – mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen wird. Weiterhin wird zunehmend die geopolitische Bedeutung Griechenlands herausgestellt. Seit Wochen folgt einem „letzten Angebot“ das nächste – in den Anforderungen weiter reduzierte – „allerletzte Angebot“. Unter diesen Umständen gibt man im Umkehrschluss aber jedes glaubwürdige „Drohpotenzial“ gegenüber Griechenland aus der Hand.[3]
Hinter diesen Aussagen und Präferenzen verbergen sich wiederum bestimmte Vorstellungen bezüglich der Kosten und Nutzen, die mit den verschiedenen Alternativen verbunden sind. So könnte man die Präferenz der EWU, notfalls auch bedingungslos zu zahlen, als die Vorstellung interpretieren, dass mit einem Grexit hohe Kosten nicht nur für Griechenland sondern auch für die anderen Mitgliedsländer der Währungsunion verbunden sind. Und zwar nicht nur ökonomische, sondern auch (geo-)politische Kosten. In diese Richtung gehen auch die jüngsten Äußerungen Tsipras gegenüber der italienischen Zeitung Corriere della Sera. Seiner Meinung nach wäre ein griechischer Staatsbankrott der Anfang vom Ende des Euroraums und würde auch weitere Länder wie Spanien und Italien erfassen. Auf die Steuerzahler der anderen Mitgliedsländer kommen demnach mit dem Grexit „immense Kosten“ zu. Hinter dieser Präferenzstruktur mag aber auch das Bestreben der politisch Handelnden stehen, die Realisation von Kosten der Rettungspolitik möglichst weit in die Zukunft zu verlagern.
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –
Die extensive Form des oben definierten sequentiellen Spiels ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Lösung dieses Spiels kann dabei über das Konzept der Rückwärtsinduktion gefunden werden. Hierzu muss zunächst auf der 2. Spielstufe die EWU in beiden Teilspielen ihre optimale Strategie wählen. Aufgrund der Präferenzordnung in der oberen Auszahlungs-Zeile ergibt sich dabei in beiden Teilspielen als dominante Strategie – die durch einen Unterstrich gekennzeichnet ist – „Hilfszahlungen gewähren“. Ebenso besitzt auch Griechenland auf der ersten Spielstufe gemäß der angenommenen Präferenzordnung eine dominante Strategie, nämlich „nicht kooperieren“. Demzufolge ergibt sich das Ergebnis des Spiels als Strategiekombination aus „nicht kooperieren“ und „Hilfszahlungen gewähren“. Es ist als grün umrandetes Auszahlungsprofil gekennzeichnet und bildet ein teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht. Unter einem Nash-Gleichgewicht versteht man dabei eine Spielsituation, in der kein Spieler durch eine einseitige Änderung seiner Entscheidung einen Vorteil erzielen kann und die gewählte Handlungsalternative somit die beste Antwort auf die gewählte Handlungsalternative des anderen Spielers darstellt. Da kein Spieler einen Anreiz zum Strategiewechsel hat, ist diese Lösung stabil. Aufgrund der Präferenzstruktur lässt sich dieses Verhalten jedoch nicht nur als teilspielperfektes Gleichgewicht in dieser Sequenzabfolge des Spiels ableiten, sondern würde auch bei einer Veränderung der Spielabfolge (simultane Entscheidungen oder EWU als Akteur auf der 1. Stufe) die einzig rationale Interaktionsstrategie darstellen. Der Grund hierfür ist, dass beide Spieler eine Handlungsalternative („kooperieren“ bzw. „keine Auszahlung der Hilfen“) als strikt dominierte Strategien aus Ihren Handlungsalternativen eliminieren können.
Für diesen ersten Fall ergibt sich folglich als Ergebnis, dass Griechenland nicht kooperieren, die EWU aber gleichwohl entsprechende Hilfszahlungen bereitstellen wird. Es könnte entweder dadurch zustande kommen, dass man sich mit den Forderungen immer weiter auf Griechenland zu bewegt, oder durch eine weitere Verlängerung des aktuellen Hilfspakets, um noch mehr Zeit für notwendige (aber nicht erfolgreiche) Verhandlungen zu gewinnen. In der Zwischenzeit würde die EZB die Zahlungsfähigkeit Griechenlands über eine Ausweitung der ELA-Kredite gewährleisten. Das Argument der EZB, man würde mit einer Einstellung der ELA-Kredite eine politische Entscheidung über den Austritt Griechenlands aus der EWU fällen übersieht allerdings, dass auch die Zahlung letztlich eine politische Entscheidung, und zwar für einen Verbleib im Euroraum, beinhaltet.
Geht man von einer alternativen Präferenzstruktur der EWU im Sinne eines härteren Auftretens gegenüber Griechenland – bei unveränderten Annahmen bezüglich des Verhaltens der griechischen Regierung – aus, dann ließe sich folgende Struktur annehmen:
a)Â Â Â Â Die EWU zahlt Hilfskredite aus, wenn Griechenland kooperiert (4)
b)Â Â Â Die EWU zahlt keine Hilfskredite aus, wenn Griechenland nicht kooperiert (3)
c)Â Â Â Â Hilfskredite werden ausgezahlt, wenn Griechenland nicht kooperiert (2)
d)Â Â Â Hilfskredite werden nicht ausgezahlt, wenn Griechenland kooperiert (1)
Damit würde ein deutlich höheres „Drohpotenzial“ gegenüber Griechenland aufgebaut. Diese Entwicklung könnte man möglicherweise auch mit der Annahme begründen, dass die Kosten eines Austritts Griechenlands aus der EWU – zumindest für die restlichen Mitgliedsländer – aufgrund veränderter Rahmenbedingungen mittlerweile deutlich gesunken sind. Auch hierfür lassen sich entsprechende Äußerungen finden, die aber eher aus dem akademischen Umfeld und weniger aus dem Politikbereich stammen.
Die Annahmen dieses modifizierten Spiels führen zu einer Änderung der optimalen Strategie, da – vor dem Hintergrund der Auszahlungen in der unteren Reihe von Abbildung 1 – nun die Kombination „nicht kooperieren“ und „Hilfszahlungen verweigern“ die Lösung des Spiels darstellt. Somit würde auch eine glaubhafte Sanktionierung der griechischen Hinhaltetaktik durch die EWU nicht – wie häufig kommuniziert – zu einem Einlenken Griechenlands führen (kooperative Strategie), sondern vielmehr zu einem Ausscheiden aus der Eurozone. Grund hierfür ist die – durch die Präferenzen ausgedrückte – kompromisslose Einstellung der gegenwärtigen Regierung, die wohl eher einen Grexit mit all seinen katastrophalen Folgen für die griechische Wirtschaft und damit auch für die Bevölkerung akzeptieren würde, als auf die (weitgehende) Umsetzung ihrer Wahlversprechen zu verzichten.
Bezieht man die beiden Varianten auf die aktuelle Situation, so erscheint es deutlich wahrscheinlicher, dass die erste Variante – die EWU zahlt ohne signifikante Gegenleistungen Griechenlands – eintritt und nicht die zweite, an deren Ende der Grexit stehen würde. Zu dieser Einschätzung gelangt auch Berthold[4] in diesem Blog-Beitrag: „Die Verhandlungen werden in einem Kuhhandel enden. Griechenland wird nicht aus der EWU ausscheiden, die „Troika“ wird die noch ausstehende Rate des Hilfsprogramms auszahlen, über ein drittes Programm wird ab Herbst verhandelt. Die griechische Seite wird sich auf ein paar kosmetische Reformen des Arbeitsmarktes und des Sozialstaates einlassen. Sie wird in Aussicht stellen, weitere Privatisierungen zuzulassen, das Steuersystem zu reformieren und die Verwaltung zu verbessern. Tun wird sie, wie ihre Vorgänger, nur wenig.“
Vergleicht man die gegenwärtige Situation mit den Entscheidungen früherer griechischer Regierungen, so bedarf es einer Änderung der Annahmen bezüglich der griechischen Präferenzen. Die Regierungen unter den Ministerpräsidenten Papandreou und Samaras wiesen nämlich ein deutlich kooperativeres Verhalten auf als die jetzige unter Ministerpräsident Tsipras. Zugleich soll davon ausgegangen werden, dass sich an den Präferenzen der EWU aus Konstellation 1 nichts geändert hat – das Verhalten der EWU war also auch zu diesem Zeitpunkt auf den Erhalt der Währungsunion in der aktuellen Zusammensetzung gerichtet. Daraus lässt sich folgende Präferenzstruktur für frühere Regierungen Griechenlands ableiten:
a)Â Â Â Â Griechenland kooperiert nicht und bekommt gleichwohl Hilfskredite (4)
b)Â Â Â Griechenland kooperiert und es werden Hilfskredite von Seiten der EWU gewährt (3)
c)Â Â Â Â Griechenland kooperiert nicht und es werden keine Hilfszahlungen gewährt (2)
d)Â Â Â Griechenland kooperiert und es werden keine Hilfszahlungen gewährt (1)
Die hieraus abgeleitete Lösung des Spiels zeigt die obere Auszahlungs-Zeile in Abbildung 2. Im Ergebnis ist die Lösung auch in diesem Fall dadurch gekennzeichnet, dass Hilfszahlungen gewährt werden, ohne dass Griechenland kooperiert. Daraus erkennt man, dass die EWU durch ihre offenbarten Präferenzen, die Eurozone um jeden Preis zu erhalten, die Anreize stets so setzt, dass Zahlungen ohne die (komplette) Umsetzung vorher vereinbarter Konditionen erfolgen.
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –
Im Unterschied zu den bisher diskutierten Szenarien wäre es jedoch unter der Annahme der zuvor diskutierten EWU-Präferenzordnung (Fall 2, Abb. 1), die ein Ablehnen der Hilfszahlungen bei Nichtkooperation als bessere Alternative ansieht, tatsächlich möglich, ein kooperatives Verhalten Griechenlands zu „erzwingen“. In diesem Fall würde sich als Lösung des Spiels eine Strategiekombination aus „kooperieren“ und „Hilfszahlungen gewähren“ ergeben. Es wird somit deutlich, dass in Ermangelung eines glaubhaften Drohpotenzials eher die erste Variante durchgesetzt wurde. Grund hierfür mag unter anderem gewesen sein, dass die Austrittskosten für die anderen Mitgliedsländer zu diesem Zeitpunkt noch als deutlich höher angesehen wurden als das heute zum Teil der Fall ist.
Schaut man abschließend noch einmal auf die Situation, in der sich andere Krisenländer befunden haben, dann ändert sich die Präferenzstruktur gegenüber derjenigen Griechenlands wie folgt. Als Beispiel möge dabei Portugal dienen:
a)Â Â Â Â Portugal kooperiert und bekommt als „Gegenleistung“ Hilfskredite (4)
b)Â Â Â Portugal kooperiert und es werden keine Hilfskredite von Seiten der EWU gewährt (3)
c)Â Â Â Â Portugal kooperiert nicht und es werden Hilfszahlungen gewährt (2)
d)Â Â Â Portugal kooperiert nicht und es werden keine Hilfszahlungen gewährt (1)
Eine solche Präferenzstruktur lässt sich dadurch begründen, „dass sich Staaten wie Spanien und Portugal vor der Finanz- und Wirtschaftskrise fast immer an die (kooperativen) Spielregeln der Währungsunion gehalten haben. Ihr Verhalten war konsequent auf die Realisierung wechselseitiger Kooperationsvorteile ausgerichtet. Durch das Brechen von Konsolidierungsversprechen hatten sie eine Reputation zu verlieren.“[5]
Unter diesen Voraussetzungen und der Annahme, dass die Präferenzen der EWU auch in diesem Fall auf den Erhalt der Währungsunion gerichtet waren, zeigt Abbildung 3 und die dort enthaltenen „Auszahlungen“ das in der Vergangenheit beobachtete (kooperative) Ergebnis von gewährten Hilfszahlungen gegen die Umsetzung der damit verbundenen Auflagen. Dieses kooperative Verhalten hat zugleich dazu geführt, dass Länder wie Portugal, Irland und Spanien ihre jeweiligen Schuldenkrisen (weitgehend) überwunden haben.
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –
Die vorstehenden Überlegungen haben deutlich gemacht, dass die (politischen) Ergebnisse im Rahmen der Staatsschuldenkrise der Logik der Anreizkonstellationen geschuldet sind und durch ein einfaches „Spiel“ rekonstruiert bzw. prognostiziert werden können. Die Eingangsfrage, wie es mit Griechenland weitergeht, kann vor diesem Hintergrund wie folgt beantwortet werden: Griechenland wird nicht aus der Eurozone austreten. Die Kreditgeber – insbesondere die EWU, mit Unterstützung der EZB – werden weitere Hilfskredite bereitstellen, ohne dafür konkrete Gegenleistungen zu erhalten, die eine Rückzahlung der Kredite in absehbarer Zeit wahrscheinlicher machen. Man wird die Anforderungen für die Freigabe der ausstehenden Mittel sowie für ein notwendiges neues Rettungsprogramm so weit senken, dass es der aktuellen griechischen Regierung nicht schwerfallen sollte, diese Versprechen mit ihrem eigenen politischen Programm vereinbaren zu können. Davon abweichende Ergebnisse des politischen Prozesses haben die Repräsentanten der EWU durch ihre offenbarten Präferenzen weitgehend ausgeschlossen.
Abschließend bleibt allerdings auch festzuhalten, dass dieses Ergebnis zwar vor dem Hintergrund der Präferenzen der agierenden Spieler rational ist, unter dem Gesichtspunkt der Gesamtwohlfahrt – sowohl für die europäischen Länder als auch für Griechenland – aber keineswegs die optimale Strategie darstellen muss.
[1] Blog-Beitrag Erlei vom 3. Juni.
[2] Vgl. hierzu Hirshleifer, Jack: Peace or War: An Economic Approach to Appeasement. University of California, Los Angeles, Working Paper No. 817, Febr. 2002.
[3] Zu einer ähnlichen Einschätzung siehe auch den Blog-Beitrag von Thomas Apolte vom 3. Mai.
[4] Blog-Beitrag Berthold vom 1. Juni.
[5] Blog-Beitrag Erlei vom 3. Juni.
Blog-Beiträge zum Griechenland-Poker:
Wolf Schäfer: Wenn der Euro zur Staatsräson überhöht wird
Mathias Erlei: Rettungsprogramme in der Europäischen Währungsunion. Eine spieltheoretische Rekonstruktion
Norbert Berthold: Eine unendliche Geschichte. Griechenland, Klappe die letzte? Wohl kaum!
Norbert Berthold: Europa, Marktwirtschaft und Varoufakis. Ist ein Grexit „anti-europäisch“?
Thomas Apolte: Die griechische Tragödie. Warum sich niemand zu handeln traut
Norbert Berthold: Die EWU verwahrlost ordnungspolitisch. Ein Drama in fünf Akten
Jan Schnellenbach: Kann man verlorene Steuermoral wieder aufbauen? Ein (nicht nur) griechisches Problem
Norbert Berthold: Allein gegen Alle. Griechenland spielt weiter Vabanque.
Norbert Berthold: Die EWU am Scheideweg. Permanente Transfers oder temporärer Grexit?
Juergen B. Donges: Griechische Manöver in der Eurozone. Droht aus Spanien ähnliches Ungemach?
Norbert Berthold: Briefe in die griechische Vergangenheit. Giannis Varoufakis: Abgezockt oder unfähig?
Wolf Schäfer: Mit „Gewissheit“ im Euro. Das strategische Spiel der Griechen
Norbert Berthold: Immer Ärger mit Griechenland. Ein Pyrrhus-Sieg der “Institutionen“?
Dieter Smeets: Nach der Rettung ist vor der Rettung. Griechenland und kein (Rettungs-)Ende!
Roland Vaubel: Schäubles Scherbenhaufen
Norbert Berthold: Trojanisches Pferd. Der Brief des Giannis Varoufakis
Uwe Vollmer: Scheidung auf griechisch. Wie realistisch ist der “Grexit“?
Norbert Berthold: Was erlauben Griechenland? Schwach wie Flasche leer
Dieter Smeets: Poker um Griechenland
Norbert Berthold: Sie kamen, sahen und verloren. Haben sich Alexis Tsipras und Giannis Varoufakis verzockt?
Thomas Apolte: Hexenmeister und Reformer. Was Varoufakis von Balcerowicz lernen kann.
- Die Neuregelung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Schlimmer geht immer! - 1. Februar 2024 - Der Brexit und das Vereinigte Königreich
Drei Jahre danach - 8. Januar 2024 - Wie geht es weiter mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt? - 20. August 2022
Die Strategien der Politik sehr verständlich dargestellt. Danke. Wenn aber das Festhalten an der Rettungspolitik „sowohl für die europäischen Länder als auch für Griechenland keineswegs die optimale Strategie darstellen muss“, ist es dann nicht möglich, dass irgendwann die Wähler das Strategiespiel der Politik nicht mehr mitmachen? http://pixeloekonom.de/2015/06/15/grexit-scheitert-die-politik-scheitert-nicht-europa/